Sonntag, 4. Mai 2014

Das Wort zum Montag

Mit dem Montag beginnt bei den meisten von uns morgen wieder der Alltag. Aber noch bleibt ein kleiner Rest Sonntag um sich zu besinnen. 'Entschleunigung' ist das Wort, das sich in den letzten Jahren dafür etabliert hat. Aber Besinnung finde ich super - nehmen wir uns doch die Zeit für ein paar Minuten Philosophie...



In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?


Im März 2006 startete die Aktion Mensch ihre Gesellschafter-Initiative. Vielleicht sind ja noch bei ein paar von euch die Plakate mit der Aufschrift "In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?" im Kopf geblieben. Das Projekt ist mittlerweile mit Erfolg abgeschlossen, aber die Frage bleibt aktueller denn je, besonders wenn von Teilen der Gesellschaft eine solche Gefahr ausgeht, dass wir eine Debatte um "Sicherheit oder Privatsphäre" führen müssen.


Schuld oder Scham


Denn Sozialpsychologen unterscheiden zwischen Schuld-Gesellschaft und Scham-Gesellschaft. In der ersteren tut man von innen heraus bestimmte Dinge nicht, weil man sie einfach nicht tut. Man schreckt vor Betrug zurück, weil man sich in die Opfer versetzen kann. Man handelt also moralisch.
Man hält an der roten Fußgängerampel, weil ein Kind in der Nähe sein könnte und lässt sogar im Hotelzimmer das Licht nicht unnötig lange brennen, selbst wenn es nicht auf die eigene Stromrechnung geht. Zusammengefasst: Man erkennt die Zerbrechlichkeit des sozialen Gefüges und verschafft sich nicht zu dessen Nachteil Vorteile.
Anders die Scham-Gesellschaft. Als es um die katholische Kirche im Zuge der Missbrauchs-Skandale laut wurde, hat diese statt offen damit umzugehen die Vogel-Strauß-Taktik angewandt: Kopf in den Sand. Anstatt Fehler einzugestehen und diese offen zu legen, also für mehr Klarheit zu sorgen, wurde erst mal dicht gemacht. Natürlich kam während der schweren Vorwürfe immer mehr ans Licht - mit klaren Statements wurde dennoch gespart, bis es nicht mehr anders ging. Ungeschickt gemacht, aber ein gutes Beispiel.
In der Scham-Gesellschaft ist es nur schlimm von den Autoritäten erwischt oder kritisiert zu werden. Der eigene Vorteil ist das Maß der Dinge. Oder der Zuwachs an Macht und Reichtum. Man lässt in Entwicklungsländern für Hungerlöhne produzieren, weil es die Gewinnspanne erhöht - unter welchen Umständen auch immer. Und andere kaufen aus Rücksicht auf das eigene Portemonnaie, auch wenn sie um die Arbeitsbedingungen Bescheid wissen. Oder man verkauft höchst spekulative Finanzprodukte, weil man von der Abschlusssumme profitiert. Der spätere Schaden des Kunden ist dann seine eigene Sache.


"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser."


Die Scham-Gesellschaft ist die primitivere Stufe in der sozialen Entwicklung. Es kostet Jahrhunderte und immer neue Anstrengungen gegen sie ein Wertegerüst zu errichten und es im persönlichen Verhalten zu verankern. Ohne das ist keine höhere Zivilisation möglich. Denn, und das ist der Diskussion "Überwachungsstaat" überaus wichtig: Wenn wir in einer solchen Scham-Gesellschaft leben, helfen irgendwann nur noch Kontrollen, um ein Miteinander zu ermöglichen. Und ist der erste Schritt in Richtung totaler Kontrolle getan, treten bei einer Gesellschaft die ersten Lähmungserscheinungen auf.
Eine moderne Gesellschaft, die friedlich und verlustarm existieren will, braucht Vertrauen! In einer solchen Gesellschaft sind Lenins Spruch "Vertrauen ist gut Kontrolle ist besser" und die Debatte "Privatsphäre versus Sicherheit" vollkommen überflüssig.  Das entsteht aber nur in der Schuld-Gesellschaft nach der goldenen Regel "Was du nicht willst, dass man dir tut..."

Wem das zu altbacken klingt oder wie ein Albumspruch für notorische Verlierer, der sollte wieder auf Anfang gehen und diesen Artikel noch einmal lesen.

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