Montag, 19. Mai 2014

19. Mai - ein dunkler Tag in der Geschichte

Foto: DLR
Seit jeher ist die Angst vor der Dunkelheit in den Menschen verwurzelt. Als Kind hörte man ein Geräusch im Dunkeln, doch man war dazu verdammt starr im Bett zu liegen, weil der lange Weg durchs Haus noch viel gefährlicher war: der Hausflur mit zitternden Schatten, die das milchige Licht der Straßenlaterne warf. Türen, die sich jederzeit öffnen konnten. Der eiskalte Boden in einem tiefen Gang, der sich immer mehr verfinsterte. Doch ist die Dunkelheit wenigstens berechenbar. Nach einer langen schlaflosen Nacht wird sie sich unweigerlich im Licht des Tages verflüchtigen. Aber manchmal hat die Natur halt ihre Launen...


...und von einer möchte ich erzählen, denn ich denke, dass das eine nicht sehr bekannte Geschichte ist. Heute jährt sich zum 234ten Mal ein Naturereignis der besonderen Art. Der 19. Mai 1780 begann als strahlender Frühlingstag im Nordosten Amerikas, ohne Wolken und ohne Lufthauch. Am Vormittag, gegen zehn Uhr etwa, bildete sich im Südweste ein leichter Nebel, der mit einsetzendem Wind nach Nordosten bis hin zur kanadische Grenze zog. Und mit dem Nebel brach die Finsternis herein. Man muss das so düster ausdrücken, denn was passierte hat mit der Dunkelheit die am Tage herrscht, wenn es etwa eine normale Sonnenfinsternis gibt, nicht viel zu tun. So paradox das auch klingen mag: Die Dunkelheit nahm an Intensität immer mehr zu. Zunächst wurden Kerzen angezündet und Fackeln in den Straßen aufgehängt. Gegen Mittag wurden dann die Schulen geschlossen. Unruhe machte sich breit und die Menschen zog es in die Kirchen, wo der Tag des jüngsten Gerichts verkündet wurde. Dass der gekommen war, davon war man überzeugt. Die Dunkelheit hatte tatsächlich so allumfassende Dimensionen, dass man sie auch unter heutigen Maßstäben als biblisch bezeichnen könnte. Sie besaß so etwas wie eine greifbare Dichte. Diese bewirkte, dass ein weißes Blatt Papier unsichtbar blieb, selbst wenn es Zentimeter vor die Nase gehalten wurde. Auch die Kerzenflammen konnte nichts erleuchten, die Dunkelheit saugte alles auf.


Am späten Mittag bedeckte die Schwärze die heutigen Bundesstaaten Maine, New Hampshire, Vermont, Massachusetts, Rhode Island, sowie Connecticut, Ost-New York und Bereiche von Pennsylvania. Im großen und ganzen das Gebiet im Nordosten von Amerika, dass man als Neuengland bezeichnet.
Eine der bekanntesten Geschichten aus dieser Zeit ist, dass in Hartford die Tagung der gesetzgebenden Versammlung von Connecticut in vollem Gange war, als die Dunkelheit hereinbrach. Gegen Mittag waren die Mitglieder der Versammlung nicht mehr in der Lage sich wahrzunehmen. Die Sitzung drohte zum Erliegen zu kommen, als sich einer der Männer, namens Davenport erhob:
"Herr Vorsitzender, was wir hier erleben ist entweder der jüngste Tag oder nicht. Wenn er es nicht ist besteht kein Grund die Sitzung abzubrechen. Ist er es doch, so soll er mich dabei antreffen, wie ich meine Pflicht tue. Ich schlage vor, dass wir Kerzen herbeischaffen und weiter mit unseren Geschäften fortfahren."
 Die Welt ging bekanntermaßen nicht unter. Das Ereignis, dass als "Dunkelheit von Neuengland" in die Geschichte eingehen sollte dauerte etwa 24 Stunden, bis die Finsternis auf so unerklärliche Weise wieder verschwand, wie sie gekommen war.

Es gibt natürlich verschiedene Erklärungsansätze. Am wahrscheinlichsten ist die Möglichkeit, dass die Dunkelheit durch die Rauchschwaden eines Feuers im Algonquin Provincial Park entstand, das mithilfe einer Jahresringuntersuchung auf ungefähr diesen Zeitraum datiert wurde. Nur lässt sich das auch nicht mehr mit absoluter Genauigkeit sagen. Außerdem ist fraglich, ob die Menschen damals den Rauch eines Feuers nicht auch als solchen identifiziert hätten...wer einmal im Rauch eines Hohlkohlegrills gestanden und sich danach die tränenden Augen gerieben hat wird das sicher betätigen können. Ebenso ist die enorme Größe des betroffenen Gebietes erstaunlich. Meine gesamte Darstellung geht aber auch von der Authentizität der damaligen Quellen aus, so ist natürlich eine Übertreibung der damaligen Ereignisse, hervorgerufen durch den herrschenden religiösen Weltuntergangsfanatismus, nicht ausgeschlossen.

Sicherlich war dies nicht das einzige Ereignis dieser Art, wohl aber das am besten dokumentierte. Ähnliche Berichte finden sich auch aus anderen Teilen der Welt. Am 19. August 1763 war beispielsweise London am helllichten Tag von einer Finsternis überrollt worden, die von Kerzen, Laternen oder Fackeln nicht durchdrungen werden konnte. AM 26. April 1884 färbte sich der Himel über Preston in England zur Mittagsstunde schlagartig schwarz, als wäre ein riesiger Vorhang zugezogen worden. Und Am 02. Dezember 1904 machte die Sonne im US-Bundesstaat Tennessee eine knappe halbe Stunde lang völliger Dunkelheit platz.

Wenn uns solche Phänomene heimsuchen, dann müssen wir uns eingestehen, dass die Natur noch so manche Überraschung für uns bereithält. Und das wir im Grunde vielleicht doch kein so tiefgreifendes Verständnis von ihren Gesetzen haben, wie wir uns vielleicht weismachen wollen.

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