Montag, 21. April 2014

Für mehr Werte als Wertpapiere - ein Plädoyer für eine Revolution in den Köpfen

Die deutsche Wirtschaft leidet an Vertrauensentzug. Es gab Zeiten, da der Spruch: "Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle glauben an die Bundesbank." wohl noch zutraf. Das ist heute nicht mehr so. Die Bundesbank ist eine Filiale der europäischen Zentralbank und allgemein glauben die Deutschen an gar keine Institution der Wirtschaft mehr. Einzig die Marke Mittelstand hat noch einen guten Klang. Aber das Vertrauen wurde durch die Dauerdebatte über Spitzengehälter und Boni und Korruptionsgeschichten großer Konzerne zerstört. Noch schlimmer ist das Ganze wohl durch die Arbeit im Finanzwesen geworden, dass sich zu einer Art Lotterie entwickelt hat. In den Köpfen der deutschen ist sogar das einst so verehrte System der sozialen Marktwirtschaft keine feste Größe mehr.

Der Markt erscheint wie eine große Geldverteilmaschine, die denen gibt, die schon haben und denen nimmt, die sowieso nichts haben. Amoralisch und ungerecht. Der Banker ist spätestens seit der Lehman-Krise in den Augen vieler die gemeingefährliche Spezies, die zwar Ahnung von Wertpapieren, aber nicht von Werten hat. Dass unser System mehr Wohlstand produziert als die meisten Länder des Westens reicht nicht mehr - und das ist auch gut so! Diese Unzufriedenheit ist notwendig, damit sich das System weiterentwickeln kann. Eine Veränderung zum Besseren kann es nur geben, wenn man mit den bestehenden Verhältnissen nicht mehr zufrieden ist.


Die Vertrauensfrage


Unser System produziert Wohlstand, ja. Am 14. August diesen Jahres wird das Land sogar nochmal reicher, wenn sich die Berechnungsgrundlage für das Inlandsprodukt in Industrieländern ändert. Jeder Deutsche wird dann um ca. 1000 Euro reicher - aber nur auf dem Papier.
Das schafft nicht gerade mehr Vertrauen, vollkommen verständlich. Doch all das ist wirklich schade. Die Wirtschaft spielt im Staatsgefüge eine so entscheidende Rolle, was viele vergessen. Natürlich muss sie sich einbringen in die großen Debatten der Gesellschaft. Sie schafft, als Quelle der Einkommen, erst die Grundlage für den Zusammenhalt.
Der Staat ist finanziell überstrapaziert und wird weitere Lücken im Haushalt reißen, denn er hat sich die Konsolidierung der Schulden vorgenommen, obwohl doch die Themen Bildung und Verkehrspolitik die Dauerbrenner sind. Neben der möglichen PkW-Maut denkt man jetzt offen über eine Sonderabgabe aller deutschen Autofahrer nach, weil die finanzielle Last durch Instandhaltung der Straßen sonst zu groß sei.
Doch die fehlenden Gelder für Bildung, Kultur und Infrastruktur müssen und werden auch von den Unternehmen kommen.


Der Grundgedanke ist verloren gegangen


Der Markt ist die gelebte Wahlfreiheit. Er steuert sich selbst. Und wo er versagt oder unzureichend liefert, da ist die Politik gefragt. Doch das Bewusstsein für dieses Zusammenspiel ist den Bürgern abhanden gekommen. Der Wirtschaft fehlen die Verteidiger in unserer Talkshowkultur und den Erregungsschüben und Shitstorms im Internet, die differenziertes Denken erschweren. Dabei lebt die Gesellschaft vom Diskurs - von transparenter Interessenvertretung. Das ist eine Grundlage für die Demokratie. Der Regierung steht die Opposition gegenüber, von der sie infrage gestellt wird und sich verantworten muss.
Doch der Wirtschaft fehlt es an einer starken Stimme in der Öffentlichkeit, die für sie wirkt und wirbt. Es fehlen wirtschaftlich und moralisch denkende Persönlichkeiten, die diese Rolle einnehmen können. Ich denke da an Personen wie Alfred Herrhausen, der in dieser Rolle brillierte, doch 1989 durch ein Attentat der RAF zu Tode kam.

Wirtschaft oder Politik? Das ist nicht die Frage. Die Frage ist ob wir weiter kritisieren können, ohne die komplexen Zusammenhänge innerhalb des Staatsgefüges zu bedenken. Auch ich würde es begrüßen, wenn wir ohne die globalen Finanzmärkte auskommen würden, an denen durch einen falschen Satz von Notenbankchefs Millionen Dollar verpuffen. Doch das ist realitätsfern - wir können dieses System nicht einfach zurücksetzen. Dafür ist die Globalisierung zu allgegenwärtig und der Kapitalismus eine zu treibende Kraft der Gesellschaft. Was ich fordere ist eine neue Umsichtigkeit der Wirtschaft. Nicht noch mehr Steuerersparnisse für Unternehmen und deren Umwälzung auf die Bürger. Sondern ein Bekenntnis zur Verantwortung, die sie trägt. 


Back to the Roots


Wir, die Bürger müssen die Unternehmen wieder zu schätzen wissen, als Motor der Gesellschaft. Und die Unternehmen müssen verstehen, was die Gesellschaft braucht. Sie werden Verantwortung und Verpflichtung übernehmen müssen. Durch Rekordgewinne an der Börse wird man nicht Vorbild, sondern indem man Werte schafft, die zählen. Das fängt damit an, dass ein Unternehmen sich nicht mehr nur einem ruinösen Preiskampf hingibt, sondern beginnt einen Mehrwert zu schaffen, der an die Angestellten weitergegeben werden kann. Und das funktioniert sicher auch durch Nächstenliebe, wie sie Papst Franziskus von der Wirtschaft einfordert. Denn Wirtschaft, in der eine Kursschwankung an der Börse zwar Schlagzeilen macht, nicht aber ein Mann, der in einer Großstadt mangels Versorgung erfriert, Wirtschaft die so funktioniert, tötet. Wir haben weder die Klassengesellschaft vollständig überwunden, noch die Krise in den Köpfen der Menschen.
Wir brauchen eine Stimme der Moral in der Wirtschaft, die nebenbei nicht das Geld verdienen vergisst. Und wir brauchen eine Rückbesinnung auf das, was im Staate wichtig ist. Nur so können wir die Kälte des Kapitalismus überwinden. Nicht indem wir ihn abschaffen, sondern indem wir nehmen was wir haben und einen Schritt nach vorne machen!

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