Samstag, 7. Juni 2014

Wachstum bis zum Kollaps - Was Marx nicht wusste


...oder auch Kapitalismuskritik für Dummies!

Die Wirtschaft muss wachsen! Wenn sich Regierungen und Unternehmen der Welt einmal einig sind, dann in diesem Punkt. Ich habe in meinem Umfeld schon häufig die Frage gehört: "Warum immer mehr?"
Also bin ich der Sache auf den Grund gegangen und habe Erstaunliches gefunden.
In diesem Artikel erwarten euch:

- Die Grundlage der Wirtschaft
- Das Scheitern der Planwirtschaft
- Der Untergang des Kapitalismus
- Das Bankensystem
- Die Grenzen des Wachstums
- Die Lösung





Die Grundlage aller Wirtschaft


Es gibt gute Gründe für Wirtschaftswachstum. Es gibt aber auch gute dagegen. Dazu später...
Zunächst müssen wir die Fronten abstecken. Ich bemühe mich grundsätzlich so zu schreiben, dass jemand, der nicht in ein Thema eingeweiht ist, dennoch versteht von was ich schreibe und sich hinterher im Thema zurecht findet. Deswegen möchte ich erst ein paar Worte über das kapitalistische Wirtschaftssystem verlieren.
Der Kapitalismus ist geprägt von außergewöhnlich großer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Dynamik. Diese entspringt ihm selbst - Motor dieser Dynamik ist die Konkurrenz. Unternehmen sind gezwungen neue, kostensenkende Produktionsverfahren und Produkte einzuführen, kurz: günstiger, schneller, besser zu sein, als die anderen. Angepasster an die Bedingungen des Marktes. Das ist auch eine der Kernaussagen der Darwin'schen Evolutionstheorie: "Survival of the fittest" - häufig falsch interpretiert als: "Der Stärkste überlebt" bedeutet in Wirklichkeit: "Der am besten Angepasste überlebt"!
Nennen wir das kaptalistische Wirtschaftssystem also spaßeshalber lieber 'Kapitaldarwinismus'. Denn wie sich sich das Leben so entwickelt, dass die am besten Angepassten weiterkommen, so revolutioniert die Dynamik, welcher der Kapitalismus unterliegt, ständig die bestehenden Verhältnisse.


Das Scheitern der Planwirtschaft


Soweit hört sich das gut an. An diesem Punkt gibt es dann zwei Möglichkeiten für Unternehmen.
Die erste:
Es macht keinen Gewinn. Es wird genauso viel Eingenommen wie ausgegeben, und das konstant. Dies ist natürlich nur unter intensiver zentraler Planung möglich, da ja alle Unternehmen so wirtschaften müssen. Bei allen soll am Ende so viel reinkommen, wie sie investiert haben. Die Planung muss der Staat übernehmen, wenn die Welt nicht von Konzernen regiert werden soll. Dass das nicht funktioniert hat das Beispiel DDR ganz praktisch gezeigt. Niemand hat in der Praxis Lust für eine anonyme Volkswirtschaft zu arbeiten. UND: Die Planung eines solchen Systems beruht darauf, dass jeder zunächst einschätzen muss, wie viel er leisten kann. Dazu möchte ich nur folgendes sagen: "Ihr könnt die Hausaufgabe machen, wenn ihr wollt..."
Reicht das? Das geht einfach nicht gut. Man kann auf der Selbsteinschätzung von Menschen kein Wirtschaftssystem errichten, man kann auf diese Weise praktisch nur Fehlplanungen erzeugen. Aber ich wollte in erster Linie nicht davon berichten, warum die Planwirtschaft gescheitert ist. Ich wollte auf folgendes hinaus: Dieses System scheitert in der Praxis. Aber selbst im Idealfall kommt es nicht ohne Wachstum aus. Allein dadurch, dass die Bevölkerung wächst. Wenn der Wohlstand einer wachsenden Bevölkerung gleich bleiben soll, muss auch in einer Planwirtschaft die Wirtschaft wachsen. Und für die Regulationsfanatiker unter uns, die sagen, dass man auch die Bevölkerung auf einem gleichbleibenden Niveau halten kann: Ja, kann man (auch wenn das unmoralisch ist), aber die natürlichen Rohstoffe nicht! Es wird bei einigen Rohstoffen immer schwerer sie zu gewinnen. Und damit auch zwingend teurer. Also MÜSSEN Unternehmen, die die Rohstoffe beschaffen, auf denen unsere Gesellschaft seit der Industrialisierung beruht, Gewinne erwirtschaften. Einzig diese können sie in neue Techniken investieren, die notwendig sind, um die Rohstoffe weiter zu beschaffen.
Bleibt also nur eine Alternative: Die Wirtschaft wächst.


Der Untergang des Kapitalismus


Die Unternehmen erzielen also Gewinne und dehnen damit ihre Produktionskapazität und Effizienz aus.
Karl Marx (1818 - 1883) hat in dieser natürlichen Dynamik übrigens auch den Grund für den Untergang des Kapitalismus gesehen. Denn die Konkurrenz der Unternehmen führt zu immer mehr Ersetzung von menschlicher Arbeit durch Maschinenkraft: Es steigt die in Kapitalgütern (also Produktionsmaschinen) angehäufte "tote" Arbeit im Verhältnis zur diese in Bewegung setzenden "lebendigen" Arbeit. Kurz gesagt: WER soll sich kaufen, was die Maschinen produzieren, wenn keiner mehr Arbeit hat, weil die Maschinen seinen Platz eingenommen haben?


Das Bankensystem


Bevor ich jetzt aber anfange den Kapitalismus zu kritisieren, gibt es noch einen weiteren Punkt, der begründet, warum Wachstum notwendig ist. Denn in den bisherigen Annahmen waren nur Bürger, Unternehmen und der Staat enthalten. Unser moderner Wirtschaftskreislauf hat aber noch einen weiteren Faktor: Banken.
Von da kommt das Geld nämlich. Man stelle sich folgendes vor:
Eine Insel, auf der elf Menschen leben. Zehn arbeiten, das sind die Unternehmen, und einer gibt ihnen das Geld, das sie brauchen, die Bank. Nun verschenken Banken das Geld nicht, sie wollen es zurückbekommen. Und außerdem haben wir ja schon festgestellt, dass jeder Gewinn machen möchte, also zahlen alle noch eine kleine Zulage. Der Zins. In dem geschlossenen System wird das Problem schnell deutlich: Wenn zehn Menschen je zehn Geldmünzen haben und diese irgendwann mit einer Verzinsung zurückzahlen müssen Kann das nicht gut gehen. Wenn nur hundert Münzen im Umlauf sind können nicht hundertzehn zurückgezahlt werden. Also muss jeder versuchen besser zu sein als die anderen, um Gewinn zu erwirtschaften und den Zins zahlen zu können. Bei neun Menschen wird das funktionieren, doch einer wird es nicht schaffen, denn irgendwoher muss das Geld ja kommen.
Würde die Wirtschaft also nicht wachsen, könnte niemand seine Schulden abbezahlen.


Wo ist das ganze Geld denn hin?


Und so ist es auch in der Realität, nur mit mehr Menschen, mehr Banken, undurchsichtigen Reglementierungen und gewaltigen internationalen Geldströmen. Auf diese Weise kann man sich auch erklären, warum die weltweiten Schulden, besonders von Seite der Staaten aus, immer größer werden. "Wo ist das ganze Geld geblieben?" fragen sich dann alle. Die Wahrheit ist: Es war nie da! Dazu führt auch ein weiterer Effekt. Banken geben ja nicht reale Werte als Geld aus. Münzen und Scheine haben ausschließlich Symbolwert, der gegen echte Werte, also Waren, Rohstoffe usw. eingetauscht werden kann. Digitales Geld auf dem Konto, das ja auch per Überweisung zur Zahlung genutzt werden kann ist sogar noch abstrakter. Und Banken müssen, wenn sie Kredite gewähren, auch nicht so genau schauen ob sie denn auch so viel an reellen Werten in Reserve haben, wie sie da auf dem Papier erzeugen. Für einen reellen Gegenwert von 1.000,-€ etwa den die Bank besitzt, in Form von Goldreserven beispielsweise, ist die Bank befähigt Kredite von über 10.000,-€ auszugeben. Digitales Geld also, für das nirgendwo auf der Welt wirklich ein Gegenwert existiert. Wie schon gesagt, das Geld war eigentlich nie da...
Henry Ford (1863 - 1947) hat einmal Folgendes gesagt: "Es ist gut, dass die Menschen ihr Geldsystem nicht verstehen, denn sonst hätten wir noch vor morgen früh eine Revolution."
Ich kann mir gut vorstellen, was er meint...


Beschleunigung bis zum Crash


Ich kann mir gut vorstellen, dass Marx am Ende Recht behalten sollte und das System irgendwann an sich selbst scheitert. Nur wann? Denn das Problem mit dem Kapitalismus ist, dass man für ihn kein Verfallsdatum angeben kann. Er macht immer weiter. Und weil die Menschen sich auch vom Geld abhängig machen hat er es geschafft alle bisherigen Katastrophen und Finanzkrisen zu seinen Gunsten auszunutzen und aus ihnen gestärkt hervorzugehen. Er macht immer weiter und das immer schneller. Die Arbeit wird effizienter verrichtet, die Geldflüsse werden größer, es gibt immer neue Geschäftsfelder und Branchen und auch die Krisen kommen in kürzeren Abständen. Für den Menschen gibt es bei dieser Beschleunigung eine natürliche Grenze. Irgendwann KANN nicht mehr Arbeit erledigt werden, also müssen die Maschinen ran, die, nach Marx, irgendwann ebenso zum Untergang des kapitalistischen Schiffes führen. Eine verfahrene Lage. Mit Menschen geht irgendwann nicht mehr, ohne Menschen aber auch nicht.


Die Grenzen des Wachstums


Und die Situation wird sogar noch komplizierter: Wenn wir eine Lösung für ersteres Problem finden so stoßen wir auf das letzte Problem, dass der Kapitalismus haben wird: Wer glaubt, unendliches Wachstum in einer endlichen Welt sei möglich, der ist entweder verrückt oder Wirtschaftswissenschaftler" brachte es der Ökonom Kenneth Boulding auf den Punkt.
Während Umweltbelastung und Stresserkrankungen zunehmen, Artenvielfalt und Muße schrumpfen bleibt eines stets gleich: Unser Planet Erde.
Wenn wir ein Dilemma haben zwischen dem Menschengemachten System Wirtschaft, das Wirtschaft braucht, und dem natürlichen System Erde, das Wachstum nicht verträgt muss klar sein, auf welcher Seite Kompromisse möglich sind.
Die müssen einfach möglich sein, und wenn wir uns dafür auf den Kopf stellen!
Man kann versuchen die Systeme unter einen Hut zu bringen. Man kann zum Beispiel sagen, dass wir die Technik einfach effizienter machen müssen; aber auch Effizienz hat irgendwann eine natürliche Grenze.
Wachstum wird ja durch Produktion erzwungen. Produktion dient dem Konsum. Man könnte also auch sagen, dass wir einfach besser statt ehr konsumieren müssen. Aber auch das hat seine Grenzen. Im Bereich der Technik kann man das ja schon recht weit ausreizen, aber wie soll ein Kopfsalat, bei gleichbleibendem Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum, in zehn Jahren doppelt so gut sein, oder in zwanzig Jahren viermal so gut?
Sieht alles ziemlich nach einer Sackgasse aus.


Zusammengefasst:


Bevor ich zu meinen Schlussfolgerungen komme, hier nochmal in Kurzform:
Wirtschaft treibt sich selbst an. Der am besten Angepasste überlebt. Deshalb ist Wachstum notwendig. Banken machen das System noch komplizierter. Um Schulden begleichen zu können muss ebenfalls Wachstum stattfinden, dabei gibt es eigentlich gar nicht so viel Geld wie man denkt. Damit wird den Banken nr noch mehr Macht gegeben. Das alles bedingt zwingendes Wirtschaftswachstum, was sich wiederum mit unserer Heimat, dem Planet Erde nur befristet verträgt.


Niemand will verzichten


Soweit so gut. Wir sind noch lange nicht an dem Punkt, an dem es wirklich kritisch wird. Es ist noch viel Luft nach oben, bevor die Menschheit vor der einen großen Krise stehen wird, die das Kartenhaus zum Einsturz bringt. Zeit genug also zum Umdenken.
Wachstum ist bedingt durch die Produktion, die wiederum vom Konsum bestimmt wird. Was wir also brauchen ist weniger Verbrauch.
Nun ist das Totschlagargument: Niemand will verzichten. Und Verzicht erzwingen, das geht in einer liberalen Gesellschaft schon gar nicht.
Das meine ich aber auch nicht. Ich meine nicht, dass man das kapitalistische System einfach abschaffen sollte. Man braucht den aktuellen Stand von Technik, Wissenschaft und Wirtschaft also Grundlage für die Überlegung zur Überwindung von diesem Abhängigkeitsverhältnis. Es gibt kein zurück hinter das Jetzt, wir sollten einfach nur anfangen richtig zu denken!
Weniger Konsum muss nicht gleich Verzicht heißen.


Tadaaa, die Lösung


Nur ein Beispiel dafür, was ich meine: Das Auto. Die Ikone der Wachstumsgesellschaft. Es hat den Menschen mobiler gemacht heißt es. Dabei wird eines häufig übersehen: Es ermöglicht nicht nur Mobilität, es erzwingt sie auch! Schließt der Laden um die Ecke, weil er mit dem großen Supermarkt mit seinem riesigen Parkplatz nicht mehr mithalten kann so muss ich weiter weg einkaufen. Das bedeutet mehr Verkehr - mobiler werde ich dadurch aber nicht. Außerdem erzwingt das Auto einen großen Verzicht: Waren früher Straßen noch Lebensraum, auf dem gespielt, geschwatzt und Handel getrieben wurde, so gehört dieser Raum heute dem Auto allein. Kinder wachsen mit motorischen Defiziten auf, Erwachsene leiden an den Folgen von Bewegungsmangel.
Eine intelligente Politik will nun den Verzicht nicht erzwingen - sondern ermöglichen. Statt die Effizienz der Autos zu erhöhen, bringt sie die Läden zurück zum Wohnort des Kunden und befreit so den öffentlichen Rau vom Auto und überlässt ihn wieder den Menschen.
Auf diese Weise kann man sich den Zwängen des Wachstums widersetzen.

Eine intelligente Politik müsste also fragen: Worauf können wir verzichten, worauf wollen wir verzichten - und worauf gerade nicht. Sie stellte die Urfrage der Politik schlechthin: Wie wollen wir leben?
Das Lösungen möglich sind,  habe ich in meinem Beispiel hoffentlich klar gemacht. Und auch wenn es viel "Wenns" und "Abers" gibt wenn man nur weit genug denkt kommt man zu einer Lösung. Wer sich nur kleine Ziele steckt wird auch nur kleines erreichen.





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Quellen:
Heinz D. Kurz "Karl Marx - Die Entzauberung des Kapitalismus"
Cord Riechelmann "Manifest des Akzelerationsimus - Die Revolution soll sich beeilen"
DIE ZEIT Nr. 15/2014, 7. April 2014 - Worauf wollen wir verzichten?

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